Das Gleichnis vom verlorenen Sohn

Spirituelles Wesen: Judas von Kerioth
Medium: H. R.
Datum: 18. Februar 2002

Ort: Cuenca, Ecuador

Am folgenden Tag verabschiedete sich Jesus von Zebedäus, dankte ihm für seine Gastfreundschaft und brach dann mit seinen neuen Jüngern auf. Jesus schlug vor, dass Petrus und Andreas mit ihrem Boot nach Kpar Nahum [Kapernaum] zurückkehren sollten, während er in Begleitung von Jakobus, Johannes, Simon und Philippus die Wegstrecke zu Fuß gehen wollte, was sie schließlich auch taten.

Petrus und Andreas waren mit dieser Entscheidung alles andere als zufrieden, denn sie befürchteten, dass Jesus seinen neuen Jüngern bereits ihre erste Lektion erteilen würde und stimmten dem Vorschlag des Meisters deshalb nur widerwillig zu. Die Entfernung zwischen Bethsaida und Kpar Nahum betrug nur wenige Meilen. Die vier Männer, die darauf gehofft hatten, von Jesus wichtige Anweisungen zu erhalten, waren einigermaßen enttäuscht, dass der Meister nur über belanglose Dinge sprach, sich mit Erklärungen zurückhielt, dabei aber stets geheimnisvoll lächelte.

Schließlich erreichten sie den Ort, an dem der Jordan in den See Genezareth mündete. Sie überquerten einen Nebenfluss und gelangten an eines der Mauthäuschen, wo die Zöllner für gewöhnlich alles in Bewegung setzten, um den Passanten möglichst viel Geld abzuknöpfen. Normalerweise war ein Zöllner niemals alleine, sondern hatte immer eine kleine Schar bewaffneter Männer bei sich, die ihn, ähnlich einer Leibgarde, vor dem Zorn seiner Opfer schützen sollte.

Aus irgendeinem Grund war dies heute aber anders, und der Zollbeamte saß allein in seiner Baracke. Als er die Männer sah, die Jesus bei sich hatte, wich alle Farbe aus seinem Gesicht. Er wusste, dass die Zebedäus-Brüder fanatische Zeloten waren, militante Radikale, und fürchtete deshalb zu Recht um sein Leben. Jesus aber sagte seinen Begleitern, dass sie zurückbleiben sollten, während er auf den Zöllner zuging.

Der Meister lächelte ihn an, und eine Woge purer Liebe ergoss sich über den verängstigten Mann. „Folge mir,“ sagte er zu Matthäus, und zur allgemeinen Überraschung stand der Zöllner auf und schloss sich Jesus an, während er wie in Trance sein gesamtes Hab und Gut zurückließ.

Die vier Brüder wussten nicht recht, wie ihnen geschah. Was sollte das werden? Wurde sie auf die Probe gestellt? Sollten sie lauthals protestieren oder einfach nur schweigen? Wie war es möglich, dass der Meister nicht davor zurückschreckte, sich mit derart menschlichem Abschaum einzulassen? Wusste Jesus etwa nicht, wer Matthäus war? War ihm nicht bekannt, dass die Zöllner nicht besser waren als die verhassten Unterdrücker, seien es nun die Römer oder der eigene Adel?

Warum sagte Jesus dem Zöllner nicht auf den Kopf zu, dass er wie ein Blutegel war, der dem einfachen Volk die letzten Denare raubte, für die sie so hart gearbeitet hatten? War es möglich, dass der Messias dies alles nicht wusste? Als Jesus seinen Weg fortsetzte, blieben sie deshalb ein wenig zurück, um leise miteinander zu reden, denn sie wussten nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten. Schließlich aber einigten sie sich, still zu bleiben und abzuwarten, was kommen würde.

Du weißt aus einer Botschaft, die Matthäus geschrieben hat, wie unglücklich dieser Mann war. Er war zwar reich, konnte seinen Besitz aber nicht genießen, denn er hatte weder Frieden noch Freunde. Jetzt, da Jesus ihn angesprochen hatte, war er tatsächlich wie hypnotisiert.

Jeder Mensch gerät im Laufe seines Lebens an einen Punkt, an dem er sich entscheiden muss, ob er die ausgetretenen Pfade bevorzugt, oder ob er eine völlig neue Richtung einschlägt. Tief in allen Herzen ruht ein Wissen, das ganz genau weiß, welcher Weg der richtige ist. Doch dann stellt sich die Frage: Was werden die Nachbarn sagen? Wird die Sache nicht ziemlich gefährlich? Oftmals verstreichen so wertvolle Gelegenheiten, nur weil wir uns scheuen, gegen den Strom zu schwimmen und unser Glück beim Schopf zu packen. Wir wählen den einfachen Weg und tun, was andere uns sagen. Auf diese Weise waten wir immer tiefer in einen Sumpf aus Lethargie und Unzufriedenheit.

Frustration hat viele Gesichter und findet ihren Ausdruck in mehrfacher Hinsicht: in Resignation, in Aggression, in Hass auf alle, die es geschafft haben, sich vom Diktat der Massen loszusagen oder in blanker Selbstverachtung. Manchmal wird der Leidensdruck so groß, dass man regelrecht um Hilfe schreit, selbst wenn die Angst, die Unterstützung anzunehmen, größer ist als das Wagnis, sich helfen zu lassen.

Viele Menschen binden sich regelrecht an ihre Frustration und versuchen nicht einmal, sich von dem zu befreien, was sie zu Boden drückt, selbst dann, wenn die Angst so übermächtig wird, dass sie lähmt und ohnmächtig macht. Sie lassen es zu, von ihren Befürchtungen beherrscht und unterdrückt zu werden und vergessen dabei, dass es durchaus Anteile in ihren Herzen gab, die voller Mut und Enthusiasmus waren.

Matthäus war genau an diesem Punkt angelangt. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Er schrie in seiner Verzweiflung innerlich um Hilfe—und sein Rufen wurde erhört. Es war mehr als Glück, dass genau in diesem Moment der Meister auf ihn zutrat und ihm einen Ausweg zeigte.

Wer aus tiefster Seele um Hilfe ruft, wird immer Gehör finden—mag diese Hilfe im ersten Moment auch nicht als solche erkennbar sein. Manchmal kann man diese Hilfe nicht einmal sehen, aber spüren. Plötzlich kommt Licht in das Dunkel, und man gewahrt eine Welle aus Energie. Ab und an passiert aber auch das genaue Gegenteil und ein Katalysator tritt auf den Plan, der die wenige Energie, die übrig ist, auch noch verringert. Doch genau jetzt setzt sich die überfällige und notwendige Reaktion in Gang. Oftmals ist die Hilfe, um die man bittet, ein kleiner Impuls, der aber die Bereitschaft weckt, allen inneren Widerstand aufzugeben, um so die lähmende Angst zu überwinden.

Im Fall des Matthäus war Jesus jener Katalysator. Er war der optimale Impulsgeber und die beste Hilfe, die man sich nur wünschen konnte. Wie dir hinlänglich bekannt ist, gab Matthäus ein großes Fest, als er sein altes Leben zurückließ. Er lud Jesus und seine Jünger zu einer großen Abschiedsfeier ein, an der auch seine Angestellten, deren Vorgesetzter er war, teilnahmen. Es war eine fröhliche und ausgelassene Feier, bei der auch Petrus und Andreas anwesend waren. Die einen freuten sich, ihren Vorgesetzten loszuwerden, um sich jetzt selbst an den Bestechungsgeldern zu bereichern, die anderen waren froh und dankbar, weil Jesus ihnen bei dieser Gelegenheit die erste Lektion erteilte.

Zum ersten Mal war es den Jüngern möglich, einer Parabel des Meisters zu lauschen. Es war eine herrliche Botschaft voller Liebe und Vergebung, als Jesus ihnen erklärte, dass Gott auf jeden von uns mit offenen Armen wartet, so wie es ein liebevoller Vater tut—das Gleichnis vom verlorenen Sohn, Lukas 15,11–32:

¹¹ [..]Ein Mann hatte zwei Söhne. ¹² Und es sprach der jüngere von ihnen zum Vater: „Vater, gib mir den mir zustehenden Teil des Vermögens!“ Er aber teilte das Vermögen unter ihnen auf. ¹³ Und nach wenigen Tagen, als er alles zu Geld gemacht hatte, zog der jüngere Sohn fort in ein fernes Land und verschleuderte dort sein Vermögen, indem er in Saus und Braus lebte. ¹⁴ Als er alles ausgegeben hatte, kam eine schwere Hungersnot über jenes Land, und er begann Mangel zu leiden. ¹⁵ Und er ging hin und verdingte sich bei einem der Bürger jenes Landes, und der schickte ihn auf seine Felder, Schweine zu hüten. ¹⁶ Und er begehrte sich zu sättigen von den Schoten, die die Schweine fraßen, aber niemand gab ihm [davon]. ¹⁷ Da ging er in sich und sprach: „Wieviele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um. ¹⁸ Ich werde aufstehen und zu meinem Vater gehen und ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und gegen dich, ¹⁹ ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Mache mich zu einem deiner Tagelöhner.‘“ ²⁰ Und er stand auf und ging zu seinem Vater. Als er noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, bekam Mitleid, lief und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn. ²¹ Da sprach der Sohn zu ihm: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und gegen dich, ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen.“ ²² Der Vater aber sprach zu seinen Knechten: „Schnell, holt das beste (erste) Gewand heraus und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Sandalen an die Füße. ²³ Bringt das Mastkalb, schlachtet es und wir wollen essen und feiern, ²⁴ denn dieser, mein Sohn war tot und lebt wieder, er war verloren und wurde gefunden.“ Und sie begannen zu feiern. ²⁵ Der ältere Sohn war aber auf dem Feld. Und als er kam und sich dem Haus näherte, hörte er Musik und Tanz. ²⁶ Und er rief einen der Knechte herbei und erkundigte sich, was das bedeute. ²⁷ Der aber sprach zu ihm: „Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb geschlachtet, weil er ihn gesund erhalten hat.“ ²⁸ Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und sprach ihm zu. ²⁹ Er aber antwortete und sprach zu seinem Vater: „Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe niemals ein Gebot von dir übertreten, und nie hast du mir einen Ziegenbock gegeben, damit ich mit meinen Freunden feiern kann. ³⁰ Als aber dieser, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, kam, hast du ihm das Mastkalb geschlachtet.“ ³¹ Er aber sprach zu ihm: „Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. ³² Man musste aber feiern und sich freuen, denn dieser, dein Bruder war tot und lebt wieder, war verloren und wurde gefunden.“

Die vier Revolutionäre aber fragten sich, wer wohl der verlorene Sohn war, dem das Leben zurückgeschenkt worden war—Matthäus der Zöllner, oder sie selbst, während Petrus und Andreas überglücklich waren und den Ruhm genossen, den Messias „entdeckt“ zu haben.

Matthäus hingegen war langsam aber sicher davon überzeugt, dass es keine Zufälle gab. Er erinnerte sich, dass am selben Morgen eine alte Frau durch die Straßen lief und lauthals verkündete, der Messias wäre an ihrem Krankenlager gewesen und hätte sie heilte und so dem sicheren Tod entrissen. Und dass er, während er sich in Richtung seiner Zollbaracke aufmachte, darüber nachdachte, wer wohl dieser Messias sein sollte. Was würde dieser Erlöser bringen? Zumindest war er davon überzeugt, dass dies das Ende seiner Karriere bedeuten würde, was ihn nicht nur irritierte, sondern zugleich melancholisch stimmte.

Während er noch über diesen Messias nachdachte und wie es ihm gelingen könnte, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, trat Jesus auf ihn zu, in Begleitung jener vier Hitzköpfe, die er mehr fürchtete als die Pest. Und dann sprach ihn dieser Mann an, hochgewachsen und mit einzigartigen, liebevollen Augen.

Ich denke, dies ist ein guter Zeitpunkt, um unsere Botschaft abzuschließen. Die Lektion, die Jesus seinen Jüngern an diesem Tag erteilt hatte, schien so verständlich, und hatte doch wesentlich mehr Tiefgang, als es sich die Jünger Jesu jemals vorstellen konnten. Ich rate dir dringend, dass auch du diese Parabel einem intensiven Studium unterziehst. Gott segne dich.

Judas—dein Bruder aus dem spirituellen Reich.

©Geoff Cutler
https://new-birth.net/contemporary-messages/messages-sorted-year/messages-2002/the-prodigal-son-hr-18-feb-2002/

Zelot
https://de.wikipedia.org/wiki/Zelot

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