Spirituelles Wesen: Judas von Kerioth
Medium: H. R.
Datum: 16. November 2002
Ort: Cuenca, Ecuador
Ich bin hier, Judas.
Es tut mir sehr leid, dass ich gestern unseren Kontakt abbrechen musste, aber ich hatte das Gefühl, dass das Ergebnis unserer Kommunikation darunter leiden würde, denn die Verbindung war sehr schwach.
H: Ich sah in einer Vision eine Frau, deren Haar ein himmelblaues Kopftuch bedeckte. Sie war so in etwa 50 Jahre alt und mahlte etwas in einem Steinmörser, von dem ich annahm, es wären Gewürze, um eine Mahlzeit zuzubereiten.
Ja—ich weiß, dass du diese Frau gesehen hat und dass das Bild klar und deutlich war, aber die Bedingungen, dir die dazugehörige Botschaft zu übertagen, waren alles andere als günstig. Lass uns deshalb versuchen, ob die Übertragung heute besser klappt. Ich möchte dir ein wenig über die Umstände berichten, die mich letztlich dazu veranlassten, den Verrat zu begehen, der in den gewaltsamen Tod Jesu mündete.
Die Frau, die du gestern gesehen hast, war Mirjam, die Ehefrau von Simon dem Aussätzigen¹. Ich belasse es bei jenem Namen, weil dies die Benennung ist, unter der er in der Bibel überliefert ist. Vielleicht sollte ich aber anfügen, dass Simon zu keiner Zeit an Aussatz litt oder von einer ähnlichen Krankheit geplagt wurde—weshalb Jesus auch nie die Gelegenheit hatte, ihn von diesem Gebrechen zu heilen.
Simon war ein wohlhabender Mann, der in Bethanien lebte. Dieser Ort in Judäa war ein wichtiger Stützpunkt Jesu, denn wann immer der Meister Jerusalem besuchte, war er dort zu Gast, wo sein Freund Simon, auch als Lazarus bekannt, ein großes Haus besaß. Nach seinen täglichen Ausflügen kehrte Jesus abends nach Bethanien zurück, wo er mit Freude der Einladung seines Freundes folgte, an einem feierlichen Abendmahl teilzunehmen.
Simon war ein wahrhaft guter Mann. Aus Sorge um die Sicherheit des Meisters und wegen der Spannungen zwischen der herrschenden Klasse Jerusalems und Jesus hatte er eine private Feier arrangiert, an dem mehrere Mitglieder des Sanhedrins teilnehmen sollten. Dieses Gastmahl hatte die Zielsetzung, mit dem Meister ins Gespräch zu kommen, ihn kennenzulernen, Meinungen auszutauschen und auf diese Weise die bestehenden Spannungen abzubauen. Simon war nämlich davon überzeugt, dass Jesus nur deshalb so sehr angefeindet wurde, weil niemand seine Lehre und Position wirklich kannte. Ein gemeinsames Abendessen wäre also eine günstige Gelegenheit, den Dialog zwischen den Parteien zu verbessern.
So kam es, dass Jesus kurz vor Einbruch der Nacht in das Haus des Simon zurückkehrte, wo der Hausherr bereits eifrig damit beschäftigt war, sich mit seinen hochrangigen Gästen zu unterhalten. Simon erhob sich, um uns zu begrüßen. Dann bat er uns, an dem langen Tisch, auf dem eine Fülle an Vorspeisen angerichtet waren, Platz zu nehmen. Jesus jedoch nahm er beiseite und führte ihn an den Ehrenplatz, wo er ihn bat, sich dort niederzulassen. Als die Mitglieder des Sanhedrins dies sahen, tauschten sie stille Blicke aus und runzelten missbilligend die Stirn, sagten aber nichts.
Die Frauen, die Jesus begleitet hatten, wollten kein Ärgernis erregen, und auch wenn Jesus ihnen die Freiheit gewährte, zusammen mit den Männer bei Tisch zu sitzen, nahmen sie ein wenig abseits der langen Tafel Platz, denn die große Mehrheit des jüdischen Volkes pflegte die Verhaltensregel, auf diese Trennung zu bestehen. Um also den pharisäischen Hardlinern keinen Anlass zur Missbilligung zu geben, hatten sie sich freiwillig dazu bereit erklärt, das Gastmahl nicht unnötig zu stören.
Wie es bei einem jüdischen Festmahl damals üblich war, traten Diener mit Handtüchern und Schüsseln an den Tisch, um den Gästen die Hände und die Füße zu waschen. Im Falle von Jesus war es allerdings kein Diener, der diese Willkommensgeste ausführte, sondern die Hausherrin selbst, Simons Ehefrau Mirjam, die diese Aufgabe übernahm, was erneut die stille Missbilligung der Pharisäer hervorrief.
Der Grund dieser besonderen Ehrenbezeigung war eine Überraschung, welche Mirjam oder Maria, wie die Bibel sie nennt, geplant hatte. Sie nämlich war es, die du in der Vision am Steinmörser hast sitzen sehen, wo sie allerdings keine Gewürze gemahlen hat, sondern duftende Harze und aromatische Kräuter, welche sie mit Olivenöl mischte, um als Zeichen der Wertschätzung ein reichhaltiges Duftöl aus frischen Zutaten zuzubereiten, um den Meister damit zu salben. Diese liebevolle Geste war allerdings der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
„Hast du uns nur deshalb eingeladen, um uns vor dem Galiläer zu demütigen?“, beschwerten sich die aufgebrachten Pharisäer bei Simon. Simon errötete so sehr, dass es ihm die Stimme verschlug. Nun erhoben auch die Jünger Jesu ihre Stimme und tadelten Mirjam für ihr Verhalten—und zwar alle Jünger, mein lieber Freund, und nicht nur ich. Allein Jesus bemühte sich, Mirjam zu verteidigen und fand tröstende Worte für sie, doch die Situation war nicht mehr zu retten. Die Atmosphäre war so sehr vergiftet, dass außer einigen scharfen Wortwechseln das Mahl in betretenem Schweigen eingenommen wurde. Als das Essen beendet war, standen die Pharisäer auf, verneigten sich leicht vor Simon und gingen, ohne sich zu verabschieden oder sich zu bedanken.
Du kannst sicherlich dir gut vorstellen, welches Donnerwetter über die arme Frau hereinbrach, nachdem die hohen Gäste aus dem Sanhedrin gegangen waren. Alle fielen wir über Mirjam her, um sie unter einem Haufen von Vorwürfen zu begraben. Jesus versuchte zwar noch, sie zu verteidigen und den Zorn des Simon zu besänftigen, doch der arme Frau blieb nichts anderes übrig, als mit Tränen in den Augen davonzulaufen.
Die gute Absicht Simons und die Liebesbezeigung seiner Frau endeten in einem Desaster. Jesu Gegner, deren schroffe Haltung durch dieses Kennenlernen hätte aufgeweicht werden sollen, werteten die Einladung nicht als Versuch zur Vermittlung, sondern als offene Provokation. Du kennst diese Geschichte, denn im Neuen Testament gibt es verschiedene Berichte darüber. Ich möchte, dass du hier die Version des Matthäus, [26:6-13], einfügst:
6 Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen war, 7 kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll kostbarem Salböl zu ihm, als er bei Tisch war, und goss es über sein Haupt. 8 Die Jünger wurden unwillig, als sie das sahen, und sagten: Wozu diese Verschwendung? 9 Man hätte das Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können. 10 Jesus bemerkte ihren Unwillen und sagte zu ihnen: Warum lasst ihr die Frau nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 11 Denn die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer. 12 Als sie das Öl über mich goss, hat sie meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. 13 Amen, ich sage euch: Auf der ganzen Welt, wo dieses Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.
Markus schildert die Szene mit ganz ähnlichen Worten. „Es kam eine Frau“, heißt es, ohne zu erwähnen, wer sie tatsächlich war [14:3-9]:
3 Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen zu Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haupt. 4 Einige aber wurden unwillig und sagten zueinander: Wozu diese Verschwendung? 5 Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können. Und sie fuhren die Frau heftig an. 6 Jesus aber sagte: Hört auf! Warum lasst ihr sie nicht in Ruhe? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. 7 Denn die Armen habt ihr immer bei euch und ihr könnt ihnen Gutes tun, sooft ihr wollt; mich aber habt ihr nicht immer. 8 Sie hat getan, was sie konnte. Sie hat im Voraus meinen Leib für das Begräbnis gesalbt. 9 Amen, ich sage euch: Auf der ganzen Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man auch erzählen, was sie getan hat, zu ihrem Gedächtnis.
Und bei Johannes, [12:1-5] wird die Szene folgendermaßen geschildert:
1 Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte. 2 Dort bereiteten sie ihm ein Mahl; Marta bediente und Lazarus war unter denen, die mit Jesus bei Tisch waren. 3 Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihren Haaren. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. 4 Doch einer von seinen Jüngern, Judas Iskariot, der ihn später auslieferte, sagte: 5 Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben?
Johannes bestätigt, dass es sich bei dieser Frau um Mirjam handelte, allerdings ist sie hier nicht seine Frau, sondern seine Schwester. An anderer Stelle in seinem Evangelium wiederholt er diese Aussage. Bei Lukas findet sich eine sehr ähnliche Geschichte. Ohne zu verraten, wo sich dieses Ereignis zugetragen hat, schreibt er [7:36-39]:
36 Einer der Pharisäer hatte ihn zum Essen eingeladen. Und er ging in das Haus des Pharisäers und begab sich zu Tisch. 37 Und siehe, eine Frau, die in der Stadt lebte, eine Sünderin, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch war; da kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl 38 und trat von hinten an ihn heran zu seinen Füßen. Dabei weinte sie und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen. Sie trocknete seine Füße mit den Haaren ihres Hauptes, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. 39 Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sagte er zu sich selbst: Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, die ihn berührt: dass sie eine Sünderin ist.
Da Lukas den Namen der Frau nicht angegeben hat, kam es später zu einiger Verwirrung. Die deutsche Seherin Anna Katharina Emmerich hat die gleiche Geschichte folgendermaßen geschildert:
Jesus lehrte immer fort unter dem Essen. Nun war das Mahl schier geendet, und Jesus sprach und die Apostel hörten alle gespannt mit offenem Munde zu, und auch Simon, der diente, hörte gegenüber starr zu. Magdalena aber war stille bei den Frauen aufgestanden. Sie hatte einen feinen blauweißen dünnen Mantel um, schier wie das Mantelzeug der heiligen drei Könige, ihre aufgelösten Haare waren mit einem Schleier bedeckt. Sie trug die Salbe in einer Falte des Mantels, ging durch die Laubgänge hinter Jesus in den Saal und warf sich zu seinen Füßen nieder und weinte heftig, indem sie ihr Angesicht auf seinen einen Fuß niederbeugte, der auf dem Ruhebette lag, den andern Fuß, der mehr an den Boden gesenkt war, reichte ihr der Herr selbst dar, und sie löste Ihm die Sandalen und salbte Ihm die Füße oben und an den Sohlen. Dann fasste sie ihre aufgelösten, langen, mit dem Schleier bedeckten Haare mit beiden Händen und fuhr damit abstreifend über die gesalbten Füße des Herrn, die sie wieder mit den Sandalen bekleidete.
Es entstand hierdurch eine Unterbrechung in Jesu Rede. Er hatte Magdalenas Kommen wohl bemerkt, die andern aber waren plötzlich gestört. Jesus sprach: «Ärgert euch nicht an diesem Weibe!» und redete dann leise zu ihr. Als aber Magdalena Ihm die Füße gesalbt hatte, trat sie hinter Jesus und goss Ihm das köstliche Wasser über das Haupt, dass es in all sein Gewand niederrann, und strich Ihm noch Salbe mit der Hand vom Wirbel über das Hinterhaupt nieder, und der Wohlgeruch erfüllte den Saal. Die Apostel hatten indessen miteinander geflüstert und gemurrt, selbst Petrus war unwillig über die Störung. Magdalena aber ging weinend und verschleiert hinter dem Tisch herum, und als sie bei Judas vorüber kam, hielt dieser, der mit seinem Nachbarn schon darüber gemurrt hatte, ihr die Hand in den Weg, so dass sie stehen blieb, und er sprach unwillig mit ihr von Verschwendung und man hätte es können den Armen geben. Magdalena stand verschleiert und weinte bitterlich. Jesus sagte aber, sie sollten sie gehen lassen, sie habe Ihn zu seinem Tode gesalbet, sie werde es nachher nicht mehr können, und wo man dieses Evangelium lehren werde, werde ihre Tat und ihr Murren auch erwähnt werden.²
Hier war es also Maria Magdalena, die Jesus auf diese eigentümliche Weise ehrte und damit einen Skandal auslöste. Vielleicht sollte ich noch anfügen, dass es nicht die einfache Nonne selbst war, die ihre Visionen niedergeschrieben hat, sondern der Dichter Clemens Brentano, der die Äußerungen der kranken und bettlägerigen Frau als grobe Richtschnur für seine eigene Version der Ereignisse nahm.
Im Urantia-Buch, Kapitel 172, gibt es eine Version, die mehr oder weniger dem Evangelium des Johannes folgt:
Das Bankett ging in sehr fröhlicher und gewohnter Art vonstatten, außer dass alle Apostel ungewöhnlich ernsthaft blieben. Jesus war ausnehmend heiter und spielte mit den Kindern, bis man sich zu Tische begab.
Es geschah nichts Ungewöhnliches, bis gegen Ende des Festes Maria, die Schwester des Lazarus, aus der Gruppe der zuschauenden Frauen heraustrat, sich dahin begab, wo der Meister als Ehrengast lagerte, und sich anschickte, ein großes Alabastergefäß mit einem sehr seltenen und kostbaren Salböl zu öffnen; und nachdem sie des Meisters Kopf damit gesalbt hatte, begann sie, es über seinen Füßen auszugießen, wobei sie ihre Haare löste und die Füße damit trocknete. Das ganze Haus wurde vom Wohlgeruch des Öls erfüllt, und alle Anwesenden staunten über das, was Maria getan hatte. Lazarus sagte nichts, aber als einige Leute murrten und ihre Empörung darüber zum Ausdruck brachten, dass ein so kostbares Öl derart verwendet wurde, schritt Judas Iskariot dahin, wo Andreas lagerte und sagte: „Wieso hat man dieses Öl nicht verkauft und den Erlös zur Speisung der Armen verwendet? Du solltest mit dem Meister sprechen, damit er solche Verschwendung tadle.³
Man könnte Hunderte von Channelings zu diesem Ereignis lesen, und man würde die unterschiedlichsten Versionen finden, aber fast alle haben gemeinsam, dass es die Verschwendung des Salböls war, was meinen Zorn hervorgerufen und mich kurz darauf veranlasst hat, nach Jerusalem zu gehen, um über die Auslieferung Jesu zu verhandeln. Und doch ist diese Schlussfolgerung vollkommen falsch: Ich habe Jesus nicht verraten, weil irgendjemand Geld verschwendet hat, oder weil er nicht müde wurde, uns Unbelehrbaren ins Gewissen zu reden, sondern aus Gründen, die ich bereits mehr als einmal genannt habe.
Was ich aber ausdrücklich klarstellen möchte, bevor ich diese Botschaft beende, ist die Tatsache, dass ich dieses Verbrechen nicht begangen habe, weil Gott es mir befohlen hat, was vollkommener Unsinn ist, sondern die Motivation war meine eigene, unglückliche Entscheidung. Wir haben zwar gebetet, dass “Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“, aber der Entschluss, Jesus zu verraten, war ganz allein das Ergebnis meines Willens.
Ich bin mit der Art und Weise, mit der du meine Nachricht erhalten hast, zufrieden und wünsche dir einen angenehmen Tag. Möge Gott dich immerdar segnen.
Judas
¹ Simon der Aussätzige = Lazarus = die griechische Form des hebräischen Namens Eleasar = Gott hat geholfen / Gott hilft.
² Emmerich, Anna Katharina, Das dritte Lehrjahr Jesu
Verlag Christiana 1999, ISBN 978-3717110767
PDF-Auszüge aus den Betrachtungen der Anna Katharina Emmerich
https://www.kleine-spirituelle-seite.de/files/template/pdf/lehrjahre_jesu-anna_katharina_emmerich_emmerick-clemens_brentano.pdf
³ Das Urantia Buch, Teil IV, Das Leben und die Lehren Jesu
https://www.urantia.org/ub-de/de172.html